Hobby-IM

Manche Leute hatten in der DDR Berufe oder Tätigkeiten, die gut honoriert wurden, sei es nun mit Geld oder Ehre. Zu diesen gehörte auch die Tätigkeit der IM´s. Manch einer hat es nur wegen der Kohle gemacht, weil er sonstige Vorteile hatte oder einfach weil er erpresst wurde. Es gab aber auch Leute, die das abgrundtief gern machten. Konnten sie doch auf diese Weise ein bißchen Polizei oder sogar Gott spielen, ohne sich sonderlich anstrengen zu müssen, um sich einen diesbezüglichen Posten zu angeln. Aber was macht nun ein ehemaliger IM, wenn es keine DDR mehr gibt? – Na er betreibt das weiter hobbymäßig! Auf einen solchen gesetzestreuen DDR-Bürger ist heute meine Frau gestoßen.

Wir hatten uns heute endlich einmal aufgerafft, ihr Fahrrad wieder „juckig“ zu machen, aber mußten zu diesem Zweck noch einmal los, um ein Adapterset für die Auto-Luftpumpe zu kaufen. Wir fuhren also zuerst zu Auto-Unger – ohne Erfolg und zum Zweiradladen „Polo“ – mit dem gleichen Ergebnis. Deshalb blieb nur noch Toom übrig. An den vorherigen Geschäften habe ich meine Frau gebeten, statt meiner in den Laden zu gehen, weil ich nun mal  nicht mehr so gut zu Fuß bin. Jetzt beim Toom aber streikte sie und wollte sich lieber eine Bratwurst holen. Ich parkte also am Toom auf einem Behindertenparkplatz ein, wie ich das bei jedem Laden mache. Ich habe zwar einen Behindertengrad von NUR 50%, weshalb ich das bekannte Behindertenparkschild nicht bekomme, aber glaubt ihr vielleicht, daß das meine Beine in irgendeiner Form interessiert?! Ich lege dann meinen Behindertenausweis hinter die Frontscheibe und dann muß es auch gut sein. Ich hatte zum Glück auch schon mal den Fall, daß ich auf einem öffentlichen Behindertenplatz stand und mir trotz Nichterfüllung staatlicher Prämissen  von den beiden Politessen die Verwarnung wieder abgenommen wurde, weil sie ganz einfach die Tatsachen anerkannten. Wer nicht laufen kann, der muß eben fahren.

Diese Einsicht kann man von einem Hobby-IM keineswegs erwarten. Meine Frau hatte sich besagte Bratwurst gekauft und wieder ins Auto gesetzt, allerdings auf die Fahrerseite, weil man dort Radio und Fenster besser bedienen kann. In diesem Moment parkte ein Fahrzeug mit Wiesbadener Nummer neben ihr ein, öffnete das Fenster und zog augenblicklich vom Leder. Jeder kennt ja diese Anwürfe vom armen Behinderten, der dann nicht ortsnah parken kann. Und daß sie NICHT die Fahrerin sei, wäre sowieso eine Lüge usw., usw., usw…
Erst hatte sie noch mit ihm gesprochen, was ihn aber nicht interessierte. Als er dann zum DU überging, war aber die gute Laune meiner Frau verflogen. Sie sagte sarkastisch: „Na wir sind aber freundlich drauf heute.“, was aber scheinbar wie Pulver auf seine Pfanne wirkte. Der Höhepunkt der ganzen Angelegenheit kam aber wie immer – zum Schluß. Während er mein Nummernschild fotografierte, kotzte er den Spruch: „Dir sollte man mal richtig auf die Schnauze hauen, damit du den Behindertenausweis auch wirklich brauchst!“

Tja, IM sein macht also auch nicht nur reich oder Spaß, sondern auch einsam und – krank.

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Über Bernd

Baujahr 1955, männlich, nicht mehr zu haben, Mechatroniker, Elektriker, Technikinformatiker und - natürlich - Taxifahrer
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